Alte Reiseberichte
Hier haben wir Ihnen eine Auswahl unserer archivierten Reiseberichte zusammengestellt.
Die Reiseberichte sind aus unserem Archiv im Originaltext ohne Anpassung der Rechtschreibung übernommen worden.
1890 - Berner Oberland
Abfahrt am 5. Juli nach Bern, dortselbst Nachtessen und übernachten. Weiterfahrt nach Thun, wo das Mittagessen eingenommen wurde. Per Schiff gings sodann auf dem Thuner See nach Därligen, per Bahn nach Interlaken. Nachtessen und Logis war in Unteressn.
Am Morgen des 7. Juli gings ins grandiose Lauterbrunner Tal, sodann zurück und per Schiff auf dem Brienzer See nach Giessbach, mit Drahtseilbahn nach dem hoch über dem See gelegenen Hotel Giessbach. In Meiringen wurde zu Nacht gegessen und gings über Luzern heim. Das Wetter war schön.
Die Kosten beliefen sich für 17 Personen auf M 466,82
1 Person = M 27,46
1892 - Pilatus
Am 3. August wurde die Reise angetreten und wurde in Luzern übernachtet. Den Morgen des 4. August benützte man zu einer Schifffahrt auf dem ewig schönen Vierwaldstätter See und zwar nach Vitznau und Brunnen. Am Abend gings mit der Pilatus-Bergbahn auf den Gipfel des Pilatus, wo das Nachtessen eingenommen, übernachtet und der Sonnenaufgang bewundert wurde. Die Aussicht war großartig. Der Heimweg am 5. führte über Rothkreuz, Zürich.
Die Kosten für 16 Personen betrugen M 570,97. Pro 1 Person also M 35,69.
1894 - St. Gallen
Die Hinfahrt erfolgte am 28. August über Schaffhausen, St. Gallen. In Gais wurde in der Krone das Mittagessen eingenommen, die Fahrt nach Bregenz über Altstätten fortgesetzt. Im Schwarzen Adler zu Bregenz war Logis und Nachtessen, ebenso am 29. das Mittagessen. Über Rorschach, Konstanz, Schaffhausen gelangte man wohlbehalten heim.
Die Kosten für 22 Pers. betrugen M 345,17, 1 Person = M 15,69
1896 - Rigi
Die Fahrt wurde am Morgen des 28. Juni angetreten und führte dieselbe vorbei an Olten, Biel, Neuchatel und wir kamen nachm. 3 Uhr in Lausanne bzw. Ouchy an, wo gerade ein Volksfest stattfand. Den Anschluß an das Dampfschiff nach Vevey erreichten wir nicht mehr, so daß man ein späteres Schiff benützen mußte. In Vevey wurden wir von Freund Oswald Rutschmann durch eine Musikkapelle festlich empfangen und bewirtet. Abends fand ein Gartenkonzert statt. Den Vormittag des 29. Juni benützte zur Besichtigung von Vevey und Montreaux.
Im 1 Uhr gings per Schiff nach Genf, leider bei etwas regnerischem Wetter. Der Abend war wieder schön und zur Besichtigung der Volksfestigkeiten, Schiessbuden etc. gründlich benützt. Der 30. Juni wurde ganz der schweiz. Landesausstellung gewidmet, die auf allen Gebieten der Kunst & Wissenschaft, von Handel und Industrie etc. Großartiges bot.
Am 1. Juli, morgens 1 Uhr wurde mit Schnellzug die Rückreise angetreten und kam man morgens ½ 9 Uhr nach Tiengen.
Die Kosten beliefen sich f. 21 Pers. M 545.97, 1 Pers. = M 26,-.
1898 - Genf
Der Hinweg führte zu Abwechslung einmal über Schaffhausen nach Zürich. In Wüdenswyl wurde das Mittagessen eingenommen und nachher die Fahrt nach Goldau angetreten, wo das kolosale Trümmerfeld des einstigen Bergsturzes gut sichtbar ist. Nun gings mit der Bergbahn auf den Rigi, wo in Rigi – Klösterli Logis und Nachtmahl genommen wurde. Die Aussicht war, wenn das Bild (Anm. Postkarte im Reisebuch) einen Begriff gibt, wunderbar. Die Talfahrt am 18. führte nach Brunnen, von da über Goldau, Zürich heim.
Kosten f. 17 Pers. M 369,52. 1 Pers. = 21,74
1899 - Berner Oberland
Die Reise gestaltete sich durch das unvergleichlich schöne Wetter zu einer genußreichsten. In Bern wurde zu Mittag gegessen, in Interlaken übernachtet. Dann gings in die grandiose Gebirgswelt, ins Lauterbrunner Tal, nach Grindelwald (dort Mittagessen) auf die Wengernalp, in der Nähe die erhabenen Bergriesen. Es waren köstliche Stunden, jedem unvergeßlich. Über Brienz – Meiringen, wo übernachtet wurde, über die Brünigbahn u. Luzern ging es am 1. August wieder der Heimat zu.
Die Kosten betrugen f. 20 Pers. Frcs 854,75.
1 Pers Fr 42,74 = M 34,20.
1900 - Klausenpass
Dieselbe wurde bestimmt auf 18. Juli. Zur Abfahrtszeit herrschte jedoch schlechtes Wetter, so daß die Reisemöglichkeit in Zweifel gesetzt war. Mit der Hoffnung, daß es noch besser werde, fuhr man trotzdem ab, erfuhr aber in Zürich durch telegr. Anfage, daß der Klausenpass durch Neuschnee unpassierbar sei. So kehrte man mit Unkosten von M 93,90 wieder heim.
Die Reise wurde nunmehr auf 22. Juli festgesetzt. Ganz prima war das Wetter zwar auch nicht, hauptsächlich auf dem Vierwaldstätter See, wo ein kalter Wind ging. Gegen 12 Uhr kamen wir in Fluelen an, per Fuß gings nun nach Altdorf, wo uns ein frugales Mittagessen erwartete (Hotel Schlüssel). Nach demselben wurde die Stadt besichtigt und war naturgemäß der größte Anziehungspunkt das Telldenkmal. Unterdessen hatte sich der Himmel aufgeheitert und beim hellsten Sonnenschein gings über Bürglen, der Geburtsstätte Tells, nach Unterschächen, wo wir ca. 5 Uhr abends eintrafen. Abends gaben wir den Kurgästen ein Konzert zu Gunsten der baufälligen Kirche des Ortes, das einen ansehnlichen Betrag abwarf.
Früh 5 Uhr des anderen Tages war der Aufbruch über den Kausenpaß. Die älteren Mitglieder fuhren mit den Wagen. In gewaltigen Kehren gings immer höher, großartige Ausblicke eröffnend, bis wir ca. 8 Uhr den Höhepunkt des Passes 1.952 m erreichten. In sausender Fahrt gelangten wir dann nach Urnerboden, wo kurze Rast gehalten und einige Märsche gespielt wurden. Gegen Mittag kamen wir nach Linthal, mit Ausblick auf den Tödi, und nahmen in Bad Stachelberg das Mittagessen ein. Über Glarus, Ziegelbrücke, Zürich gelangten wir dann wohlbehalten heim, voll von machtvollen Natureindrücken.
22. P. Gesamtkosten M 587,97 pro Kopf M 26,75
1902 - Mailand
Kennst Du das Land, wo die Zitronen bIühn,
Im dunklen Laub die Goldorangen glühn,
Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht,
Die Myrte still, und hoch der Lorbeer steht,
Kennst Du es wohl? Dahin, Dahin
Möcht ich mit Dir, o Geliebter ziehn!
(Goethe)
Ja, nach dem schönen Land Italien stand unser Begehr. Ein lang ersehnter Wunsch ging in Erfüllung: die herrlichen Gefilde jenseits des Gotthard von Angesicht schauen zu dürfen. Samstag, d. 14. Juni war der große Tag der Abfahrt. Abends 7 Uhr entführte uns der Zug Tiengens Mauern, bei etwas trüben Wetter. Gegen 9 Uhr kamen wir nach Zürich, wo zur Nachtfahrt genügend Proviant eingekauft wurde. Um 1/2 10 Uhr verließ der Gotthard Express die Halle, führte am lichterglänzenden Zürcher See vorbei nach Zug, wo uns der Zug Zeit ließ, einen kräftigen Zug zu tun. In rascher Fahrt passierten wir Walchwyl am Zuger See, am dunklen Nachthimmel glänzten von fern die Umrisse der mächtigen Gebirgsstücke. In Arth-Goldau gings durchs Trümmerfeld des Bergsturzes, an Schwyz mit dem gespenstigen Mythen vorbei nach Brunnen, wo sich im Mondlicht der zaubernd schöne Vierwaldstätter See unseren Blicken bot. Durch viele Tunelle führte die Bahn nach Flüelen, Altdorf, Erstfeld, wo die schweren Berglokomotiven vorgespannt wurden.
Nun gings in die großartige Alpenwelt hinein, in großen Bogen und Kehren über Abgründe hinweg fährt die Bahn dem Strombett der Reuss entlang. Eine Nachtfahrt ist ebenfalls großartig. Riesig nahmen sich die mächtigen Berge aus, wie sie ihre Häupter in den dunklen Nachthimmel erhoben. Gegen 12 Uhr kamen wir nach Göschenen. Dort gähnte uns nun das Gotthardtunell entgegen. In 20 Minuten Fahrt waren wir hindurch, sie genügte uns vom Ruß ziemlich schwarz werden zu lassen. Airolo jenseits der Alpen, ein balsamischer Duft erfüllte die Luft; wir waren im Süden. Durch unendliche Tunells und Kehren fährt die Bahn mit starkem GefäIl nach Bellinzona. Es wurde Tag, die Landschaft nahm einen ausgesprochen südlichen Charakter an. Ein herrlicher Sonntagmorgen blaute über uns in dem wunderbaren ital. Himmel. Lugano passierten wir um 5 Uhr. In Chiasso war Zoll und Umsteigestation. Durch die ital. Ebene gings an Monza vorbei dem Ziel entgegen, um 7.20 Uhr morgens waren wir in Mailand.
Nachdem wir uns im Standquartier "Hotel Falcone" gereinigt und gestärkt hatten, begab man sich zum Dom, dem prachtvollsten Marmortempel der Welt. Mit einem Fährer stiegen wir zur 2 ten Terasse auf 158 Stufen, von wo ein wunderbarer Überblick über das Heer der Engels- und Heiligenfiguren des mächtigen Baus herrscht. Weitere 194 Stufen führen zur Turmgalerie, wo ein unvergeßlicher Rundblick auf die Stadt Mailand mit ihren vielen Palästen und 80 Kirchen sich bietet. Nordwärts grüßen die Alpen, südwärts die unermeßliche ital. Ebene. Wir besichtigten ferner den Königspalast, die Galerie Victor Emanuel, sowie den wunderbaren Friedhof. Abends wurde das Teater Eden besucht. Das Wetter, das am Tage fast unerträglich heiß gewesen, kehlte sich zu einem Gewitter ab, es regnete die ganze Nacht hindurch.
Um 7 Uhr Montag früh gings aus Mailand über Varese an den Lago maggiore-See. Das Wetter besserte sich zusehends, es wurde herrlicher Sonnenschein. So kamen wir 1/2 10 Uhr in Laveno an, vor uns lag der herrlichste Teil des Lago maggiore, der Golf von Pallanza mit den borromäischen Inseln, darunter deren Königin, die paradiesische Isola Bella. Hier ist es zauberisch schön und mild, der tiefblaue See und Himmel, das Grün der Myrte, der Oliven, der Lorbeers, darüber silbern weiß die Fire der Alpen, eine "balsamische Luft. Hier ließen wir uns auf der Terasse des Hotels "Dauphin" gut sein. Leider war der Garten und die Sammlungen, wie immer Montags geschlossen und fuhren mit einem früheren Dampfer als geplant den See hinauf nach Luiono, von dort gings mit Straßenbahn der Grenze nach bis Ponte Tresa, der schweiz. Stadt am Lugano-See. Um 5 Uhr kamen wir nach Lugano, sie gewährt vom See uns einen malerischen Anblick. Wir ließen uns im Hotel "Schweizerhof" gut sein, besichtigten nachher die Stadt, vergnügten uns in Teater und Bierrestaurants. Am Dienstag wurde weiter gebummelt und Proviant eingekauft zur Heimreise. Auf den Besuch des Monte San Salvadore mußten wir verzichten. Auf dem Bilde nebstehend ist die Lage Luganos zu ersehen. Um 10 Uhr gings mit Schnellzug heimwärts. Ade, herrliches Italien, ihr wunderbaren Seen! Nochmals genossen wir die erhabene Größe der Alpenwelt, in den Waggons gings lustig zu, den Provianten fest zugesprochen. Gegen 3 Uhr kamen wir in Zürich an, gingen noch ins Variete' Teater. Die Heimfahrt war sehr lustig. Am Bahnhof in Tiengen wurden wir von der "alten" Musik abgeholt und zu Carl Walter geleitet, wo noch der Rest des Tages in Gemütlichkeit zugebracht wurde.
Die Gesamtkosten f. 18 akt. Mann beliefen sich auf M 746,70, pro Pers. also M 41,48. Es war eine der genußreichsten Musikreisen, glücklich, wer dabei sein durfte.
1904 - Engadin
Der wanderfrohen Musikerschar war bisher ein Hochtal noch nicht erschlossen, der Engadin. Darum galt es, solches aufzusuchen. 14 Aktive und 7 Passive, zusammen 21 Personen nahmen teil. Morgens 5 Uhr gings fort, mit dem 10 Uhr Zug sodann in Zürich ab. Leider machte das Wetter eine unfreundliche Miene. Wir passierten den Walensee, in Sargans regnete es in Strömen. So gings dann das Rheintal hinunter bis Chur, das wir ca. 1/2 1 Uhr erreichten. Wir machten Mittag im Hotel Weißes Kreuz, sodann wurde die Stadt besichtigt.
Um 3 Uhr dampfte der Albula-Express ab. Die Bahn fährt auf auf hohem Bord am brausendem Hinterrhein vorbei. Bald waren wir im interessanten Thusis. Von nun an beginnt die eigentliche Albula-Bahn, eine der großartigsten Bahnbauten der Neuzeit. Sie hat von Thusis (700 m) eine Steigung bis St. Moritz (1852 m) von 1152 mtr. zu überwinden. Daraus erkürt sich die kahne Anlage, die riesigen Kehren, die zahlreichen Talübergänge, die imposanten Brücken, die Lawinenverbauungen und Tunelle. Eine der großartigsten Brücken ist die Solisbrücke 90 m über dem Wasserspiegel. Sodann sind zu nennen die interessanten Partien bei Tiefenkastel, Bergün, Filisur, Preda. Mit dem Austritt aus dem Albula-Tunell traten wir in das Gebiet des Oberengadin, dem berühmten Hochtale. An dem stattlichen Samedan vorbei gelangten wir nach Celerina, wo dortmals Endpunkt war. Es war Regenwetter und ziemlich kalt in der Höhe von 1850 mtr., als wir abends 7 Uhr nach St. Moritz-Dorf hinaufmarschierten.
Im Hotel St. Petersburg waren wir ausgezeichnet aufgehoben, sowohl in Bezug auf Essen und Trinken, als auch Logis und Bedienung. St. Moritz steckte im Juni noch in Verputz- und Reparatur-Arbeiten, die großen Hotels waren geschlossen. Die Nacht wurde in einem Restaurant aufs lustigste verbracht. Am andern Morgen wurde Reveille geblasen und sodann mit gemietetem Omnibus-Wagen eine Fahrt nach Ponteresina und Morteratsch-Gletscher angetreten. Die Fahrt war sehr schön und dankbar, Der Morteratsch-Gletscher ist höchst interessant. Wie ein versteinertes oder gläsernes Meer senkt sich der stundenlange Gletscher auf die Ebene hinab. Unten war eine Höhle eingehauen, in welcher wir uns lustig den Vergnügungen des
Augenblicks hingaben.
Am Nachmittag machten wir eine Wagentour durchs Seental des Engadin nach Maloja, das Wetter war sehr schön. Der weg führte an den malerischen Silvaplana und Silser Seen vorbei nach Maloja, wo der Inn entspringt. Dort ist auch ein grandioses Kurhotel.
Am andern Morgen machte man sich bereit zur Heimreise. Bei vollem Sonnenschein genossen wir noch einmal die grandiosen Naturschönheiten und Kunstbauten von Menschenhand, welche die Albula-Bahn in so hohem Maß bietet. Unser Ziel war nun der Bodensee und zwar Rorschach. Auf Mittag trafen wir nun nach langer Fahrt durch das Rheintal in Rorschach ein, wo wir uns bei Landsmann Hierholzer j. Hirschen gut schmecken ließen. Der Nachmittag wurde durch Bootspartien auf dem See und Besichtigung von Rorschach ausgefüllt. Über Konstanz langten wir wohlbehalten am 14. Juni abends 10 Uhr in Tiengen an.
Die Reise stellte sich für 21 Personen auf M 882.08, pro Person auf M 42; sie war allseitig sehr befriedigend.
1905 - Berner Oberland
Sie fand am 30. Juli bis 1. August 1905 statt und ging über Zürich, Luzern, Brünegg, Mairingen nach Interlaken. Am anderen Morgen von da nach Spiez, wo die elektrische Bahn nach Zweisimmen ihren Anfang nimmt. In Zweisimmen wurde das Mittagessen eingenommen und dann ging es weiter mit der neuen elektrischen Bahn nach Montreux am Genfer See, wo wir um 3.00 Uhr nachmittags ankamen. Nach Besichtigung der Stadt und Spaziergang nach Schloß Chillon ging es um 1/2 8 Uhr weiter nach Vevey, wo wir übernachteten. Am Morgen des 1. Augusts wurde Vevey besichtigt, am Nachmittag machten wir per Dampfschiff eine Rundfahrt nach Montreux, Villeneuve, Bouveret, Thonon les Bains im Französischen, von dort quer über den See nach Ouchy der Hafenstadt des höher gelegenen Lausanne. Um 2.25 Uhr morgens ging es der Heimat zu und erfolgte die Ankunft um 8.24 Uhr morgens in Thiengen. Das Wetter war mit Ausnahme des 1. Augusts sehr schön.
1905 - Stanser Horn
Zu den schönsten Erinnerungen des Vereins gehören jeweils die Musikreisen. Die diesjährige Reise ging nach Stanserhorn und Engelberg. Bei schönstem Wetter bestiegen wir Montag, den 3. August, 8 Uhr morgens, den Zug. Nach kurzem Aufenthalt in Waldshut brachte der Zug die frohe Reiseschar nach Zürich, wo sofort der Gotthardexpress bestiegen wurde. An den Gestaden des lieblichen Züricher Sees ging es vorbei nach Zug, wobei sich unterwegs schon eine richtige Ulkstimmung entwickelte. Bei der Fahrt durch den langen Albistunnel wurden die elektrischen Lichter durch eine originelle, höchst einfache Art in Lampions verwandelt.
1909 - Bodensee-Rundreise
Daran beteiligten sich die Stadtmusik mit Familienangehörigen (jedes Aktivmitglied eine Person frei), der Militärverein, der Leseverein Eintracht, der Gesangverein Aichen. Das Wetter war leider den ganzen Tag sehr ungünstig. Das Mittagessen wurde in Bad Schachen eingenommen und dem nahen Lindau ein Besuch abgestattet. Abends verblieb noch eine Stunde für Konstanz. Einige Differenzen zwischen einzelnen Mitgliedern des Ausschusses (siehe Akten) wurden wieder beigelegt.
1925 - Bayern-Allgäu-Tirol
Vierzehn lange Jahre sind es her, seit die Stadtmusik eine größere Musikreise unternahm. Was liegt alles dazwischen! Der Weltkrieg und die Jahre der Inflation, viel Abschiednehmen von lieben Kameraden, die jetzt die kühle Erde deckt, Jahre harter Arbeit und Entsagung. Endlich dieses Jahr wurde das ersehnte Ziel, den Mitgliedern als Entschädigung für die vielen persönlichen Opfer an Zeit, Kraft und Geld eine größere Musikreise zu bieten, mit Hilfe einer Iängst eingerichteten Reisesparkasse erreicht.
Der erste Reisetag
Nachdem alles bis aufs Tüpfelchen organisiert war, begab sich die frohe Reiseschar bei herrlichem Wetter am Donnerstag, den 16. Juli, 1.45 Uhr, zur Bahn, ledig aller Bürde (womit aber nicht die lieben Frauen, Bräute etc., sondern die Instrumente gemeint sind), die einen mit Handköfferchen, die anderen als fesche Touristen mit Sportstutzen und Rucksack. Der direkte Zug Basel - München (in Waldshut ab 2.18 Uhr), führte uns nochmals an unserm Heimatstädtchen vorbei, wo viele der Angehörigen am Bahnhof noch bereit standen, uns durch Tücherwinken einen Abschiedsgruß nachzusenden. In einem Hause der Vorstadt benützte man sogar ein großes Leintuch. In sausender Fahrt gings zu den Gestaden des Bodensees über Radolfzell, Überlingen, Friedrichshafen, Lindau, dann durchs bayer. Allgäu, wo zeitweise ein Gewitter mit Hagel unsern Zug überschüttete. Der fuhr aber seelenruhig drunter durch gewann bald wieder die schöne Wetterzone. In Immenstadt begrüßte uns am Zug mit einem Strauße Alpenrosen die junge Frau Leo Albrecht, die zurzeit in ihrer Heimat weilt. Bald war die Umsteigestation Biesenhofen erreicht, wo uns der Füssener Zug Zeit ließ, einen kräftigen Zug des ersten bayer. Bieres zu trinken. Um 10.30 Uhr war Füssen erreicht und machten wirs uns im Hotel "Neue Post" bequem, wo ein Nachtessen auf uns wartete. In demselben Hotel wohnten am 27. Juni auch die Kollegen der Stadtmusik Waldshut und wurde derselben rühmend gedacht, besonders die Kellnerinnen schwärmten noch begeistert von der lustigen Gesellschaft. (Nix für ungut, aber 's isch wohr!) Zeitig ging man zur Ruhe, denn der anstrengendste, aber auch schönste Reisetag stand bevor.
Der zweite Reisetag
Ein herrlicher Sommermorgen begrüßte uns, als wir von der frdl. Gaststätte Abschied nehmend, die Straße nach Neuschwanstein betraten. Singend und Marschweisen pfeifend zogen wir die wohlgepflegte Allee entlang, im Rückblick die schöne Lage Füssens bewundernd. Nach einstündigem Marsch gelangten wir zum Königsschloß: Burg Neuschwanstein, das hoch über dem Tale thronend, einen majestätischen Eindruck machte. Der Bau wurde 1869 begonnen und 1880 vollendet. Er ist im romantischen Stile gehalten. Es ist unmöglich und werde zu weit führen, die herrlichen Gemächer, den Thron- und Festsaal mit den wunderbaren GemäIden und Schnitzereien auch nur annähernd zu beschreiben, es sei lediglich der großartige Ausblick von der Loggia des Thronsaales geschildert. Rechts die Pöllatschlucht mit der 90 Meter hohen Marienbrücke; unter sich, von hohen Bergen umrahmt, Hohenschwangau mit seinen reizenden Landhäusern im dunklen Waldesgrün, weiter rückwärts der Alpsee, links das breite Lechtal: das Ganze ein wunderbares Panorama von unvergleichlicher Pracht. Kaum konnten wir uns davon trennen, nur ungern entschloß man sich zum Abstieg.
In Hohenschwangau angekommen, erwarteten uns beim Hotel Liesel programm-gemäß mehrere Autos der Plansee-Hotel- und Schiffahrtsbetriebe. nach einer kleinen Stärkung ging es in sausender Fahrt an Füssen vorbei an die Landesgrenze, die mit unserm Sammelpass anstandslos passiert wurde. Grüß Gott, du schönes heiliges Land Tirol! Du bist uns ans Herz gewachsen mit deinen trauten Tälern, deinen naturwüchsigen Menschen. Deutsche Brüder! Wann kommt auch ihr wieder heim ins große deutsche Vaterhaus? Wann werden einst die trennenden Grenzpfähle fallen? „Was ist des Deutschen Vaterland? Soweit die deutsche Zunge klingt und Gott im Himmel Lieder singt!“ - Die nun folgende Autofahrt durch die lieblichen tiroler Täler mit ihren malerischen Dörfern, mit ihren Zwiebelkirchtürmen, den Burgen, Wasserfällen und mächtigen Bergen, alles in Sonne und Glanz getaucht, war das Schönste. Bald glänzte von Ferne der Spiegel des Heiterwanger Sees, wo in kurzer Zeit ein extra Schiff eintraf und uns an Bord nahm. In träumerischer Stille liegen diese tiroler Seen zwischen den Waldbergen, tiefblau ist ihr Wasser.
Nach prächtiger Fahrt erreichten wir das am Ostende des Plansees gelegene Kurhotel Forelle, wo wir sehr liebenswürdig empfangen und mit einem ausgezeichneten Mittagsmahl und Tiroler Wein bewirtet wurden. Der Inhaber, Herr Singer, hat sich überhaupt durch die Vermittlung der Autos, des Motorbootes und der Stellwagen sehr um uns bemüht und erfüllen wir eine angenehme Pflicht, ihm hier an dieser Stelle zu danken und sein Unternehmen und den Besuch dieser herrlichen Gegend bestens zu empfehlen. Nachdem noch die Jungmannschaft sich mit Boot- fahren vergnügt hatte, schlug auch hier die Abschiedsstunde. Drei Stell-wagen nahmen uns auf und führten uns nordwärts wieder über die tiroler Grenze ins Bayerische, durch den Ammerwald, die mit Lawinentrümmern besäeten Tälern, an riesigen Windbruchstellen der Waldhänge vorbei, wo Tausende von Baumstämmen wie von einer Riesenfaust ausgeschüttete Streichhölzer übereinander lagen. Der Unternehmer unserer Fahrt, Herr Höldrich, Oberammergau, mit seinem wallenden Barte ein zweiter Andreas Hofer, erklärte uns die Landschaft.
Nach zweistündiger Fahrt war um 5 Uhr das Königsschloß Linderhof erreicht und kamen wir gerade noch recht zur Besichtigung der um 5 Uhr spielenden Wasserwerke. Das Schloß wurde 1869 bis 1878 im Rokokostile erbaut. Der Rundgang durch die Prunkräume mit ihren herrlichen Rokokomöbeln, Gobelin-WandgemäIden, Spiegelsälen in Nachahmung des Versailler Schlosses, führte uns durch märchenhaften Prunk. Es war zuviel des Schönen. Im Parke wurde noch die blaue Grotte (Nachbildung der Grotte von Capri), sowie der maurische Kiosk besichtigt, dann erfolgte nach kurzer Stärkung die Weiterfahrt. Hier erfuhr unser Programm eine kleine Änderung, was aber eine erfreuliche Bereicherung darstellte. Anstatt direkt nach Oberau, führen wir nach Oberammergau, wo wir noch Gelegenheit hatten, das Passionsspielhaus und die Ausstellung für Schnitzkunst zu sehen.
Inzwischen fuhren die Autos der bayer. Postverwaltung vor, die uns in glänzender Fahrt über die Serpentinenstraße nach dem 200 Meter tiefer gelegenen Kurort Oberau im Loisachtale (an der Bahnlinie Innsbruck - München) brachten. Hier wartete unser im Hotel Post, im prächtigen verzierten Speisesaal ein vorzügliches Nachtessen. Für ebenso treffliche Unterkunft sorgte unser Gastgeber, Herr Demmel, der in oberbayer. Landestracht liebenswürdig den Wirt machte. Wir sagen ihm herzlichen Dank für die vorzügliche Aufnahme und empfehlen die "Post" in Oberau allen Touristen angelegentlich.
Der dritte Reisetag
Um 6 Uhr war Wecken, anschließend Frühstück, denn um 7 Uhr ging der Zug nach Garmisch-Partenkirchen, das nur 2 Stationen von Oberau entfernt liegt. Wiederrum ein herrlicher Sommermorgen, linde Luft, blauer Himmel, rings um uns herum die großartige Bergwelt, über allen größte die Zugspitze. Nach herzlichem Abschied führen wir hinein in die immer schöner werdende Alpenwelt. In Garmisch-Partenkirchen großes Getümmel von Touristen am Bahnhof. Vergnügt singend zogen wir truppweise der Partnach entlang der eine Stunde entfernten Partnachklamm zu. Dieselbe ist eine wildromantische Felsenschlucht, die das wilde Wasser der Partnach im Laufe eines Jahrtausends durch die Felsen gefressen hat. Der einen Meter breite Fußweg ist in die Felsen gesprengt, teilweise in Tunnels und führt an der tosenden und donnernden Partnach entlang. Die Felsen rücken so nahe zusammen, daß kaum ein Spalt des Himmels sichtbar wird. Wir marschierten im Gänsemarsch, vergnügt den "Grillen-Banner-Marsch" pfeifend hindurch und landeten nach 1/4stündigem Aufstieg beim Forsthaus Graseck, das wie eine Alm hoch auf den Bergen liegt inmitten herrlicher Alpenwelt. Hier wurde gemütliche Znünirast gemacht, sich an herrlicher Milch, köstlichem Schinken, Käse usw. gütlich getan. Zu verwundern war nicht, daß auch hier, wie schon oft vorher, eine Epedemie im Ansichtpostkartenschreiben aus- brach. Die Post in Tiengen hatte schwere Tage, als diese Sturmflut über sie hereinbrach. Um 10 Uhr brachen wir wieder auf, diesmals gings zum obern Weg über einen in schwindelnder Höhe über der Partnachklamm befindlichen Eisensteg und langten nach 1/4stündigem Abstieg an den Felswänden entlang Klammeingang an. Um 11 Uhr waren wir wieder am Bahnhof Garmisch-Partenkirchen, wo ein Teil der Ruhe und leiblichen Genüssen pflegte, der Rest Garmisch besichtigte. Um 12.30 Uhr entführte uns der elektrische Zug dem bayer. Hochland und brachte uns in 2 1/2 stündiger Fahrt nach München.
Sei mir gegrüßt, du liebes schönes München! Sobald dein Wahrzeichen, "Die Frauentürme", auftauchen, ist man im Zauber deiner Schönheit und Geselligkeit. München hat alles das, was auf den Fremden wirkt, was ihn fesselt, und was ihn nur schweren Herzens scheiden Iäßt, in reichster Fülle. Und es hat zudem noch etwas, das man nicht eigentlich sehen kann, etwas, das man fühlt, empfindet, nicht mit dem Verstand, sondern mit dem Herzen. Das ist die liebe Traulichkeit Münchens, die charakteristische Gemütlichkeit, von der schon uralte Lieder singen und die auch heute noch da ist. Es liegt sozusagen in der Münchner Luft, ja, die Münchner Luft! Davon muß ganz besonders gesprochen werden. Sie ist das wunderbare Fluidum, das den Fremden, wenn er die Stadt betritt, liebevoll umkost und durchdringt, sodaß er sich in kürzester Zeit heimisch fühlt, als wanderte er schon seit langem im Schatten der dickköpfigen Frauentürme. Ich meine nicht die atmosphärische Luft, die so kräftig und herb, so bergfrisch durch die Straßen und über die schönen Plätze weht, die noch einen leisen Duft von ewigem Firnschnee, von Hochwaldtannen und Alpenblumen mit sich führt, sondern das Andere, Unsagbare, was man so Münchner Luft nennt: Die Art. wie die Menschen hier begegnen; die schöne Ungezwungenheit, mit der du dich hier bewegen kannst; das behagliche Lachen, aus dem Gemüt und Humor herausklingen; der künstlerische Hauch, der von allen Dingen ausgeht, den du überall verspürst: vor den Denkmälern und Brunnen, in den alten romantischen Straßen und vor den malerischen Häusern im Innern der Stadt, von den neuen Palästen und Prachtbauten, den Kirchen, Brücken, Anlagen und Gärten - nicht zuletzt in den palastartigen Bierhäusern -. All das macht das Geheimnis aus, was sich Münchner Luft nennt und das aus dir einen ganz anderen Menschen macht. Du kommst noch ganz erfüllt von dem Geiste deiner Stadt, deines Ortes, deines Landes, in dem du lebst und arbeitest, in München an. Einen Tag - einen Abend in München, die Verwandlung ist geschehen, die Münchner Luft hat ihre Wirkung getan; denn du trägst ein grünes Lodenhütl auf deinen Loden, so keck als möglich, geschmückt mit einer stolzen Feder, so lang als möglich. Es kann sein, daß du sogar das Jodeln und Schuhplatteln versuchst. Ja,ja, die Münchner Luft.
In dieses München zogen wir nun frohgemut ein, umrauscht vom brausenden Leben der Weltstadt. Im Zentrum der Stadt, im Hotel Torbräu, beim Isartor, unweit des Rathauses, des Hofbräuhauses und des Deutschen Museums war unser Quartier bestellt. Es sei schon vorweg gesagt: wir fühlten uns sehr wohl in dem vorbildlich geleiteten Hause; Zimmer, Bedienung, Essen und Getränke gleich vorzüglich, dazu sehr preiswert, sodaß nur eine Stimme des Lobes war. Wir sagen dem Besitzer, Herrn Mayer, an dieser Stelle herzlichen Dank für die brillante Aufnahme und empfehlen das Hotel Torbräu allen Besuchern von München ganz besonders.
Waren wir bisher beisammen, so ging das in München nicht mehr, es war jedem freigestellt allein oder in Gruppen das Sehenswerte der Stadt aufzusuchen. Man fand sich abends oder morgens früh im Hotel wieder zusammen. Es wurden besucht: das Nationalmuseum, der Botanische Garten, die Theater, das Platzl, Militärkonzerte, die bekannten großen Bierhäuser und vor allem die großartige Verkehrsausstellung und das neue Deutsche Museum. Der Besuch dieser beider Ausstellungen hat mächtige Eindrücke hinterlassen, man gewann ein umfassendes Bild über alle Schaffensgebiete menschlicher Kultur, Technik und Wissenschaft, insbesondere natürlich des deutschen Volkes. In der Verkehrsausstellung bewunderten wir in der erst eröffneten Luftschiffahrtshalle die Flugzeuge aller Systeme bis zum riesigen Großverkehrsflugzeug. In den Maschinenhallen sahen wir die neuesten Dampf- und elektrischen Lokomotiven und Wagen, die Betriebsausstellungen der Reichsbahn und der Reichspost. Besonderen Zuspruch fand die reizende, stark besuchte Liliputbahn, die wie der Teufel das Ausstellungsgelände umfährt. Es war so viel des Schönen, daß man nachts recht müde und gern sein Lager aufsuchte. Nicht zu vergessen die Hitze und der riesige Durst. So nahte denn rasch der Heimreisetag.
Heimkehr und Rückschau
Am Dienstag, den 21., mittags 12 Uhr, hieß es Abschied nehmen vom gastlichen München. Über Ulm, Sigmaringen, durchs schöne Donautal, Immendingen ging es der lieben Heimat zu. Es entwickelte sich bei der großen Hitze ein riesieger Durst und mit Sehnsucht gedachte man der nun entschwundenen schäumenden Maßkrüge Münchens. Einige Löschstationen unterwegs stellten das verlorene seelische Gleichgewicht wieder her. Um 8.15 Uhr trafen wir in Tiengen ein, von einer großen Menschenmenge, von sehnsuchtsvollen Gattinnen und Bräuten, mit Freude erwartet. Besondere Überraschung bereitete uns der daheimgebliebene Oberspezl Gustav, der die Zöglingen mobil gemacht hatte. Sie spielten beim Einfahren des Zuges das recht zutreffende Lied: "Alle Vögel sind schon da!". Ferner waren noch erschienen: die Spielleute der Freiw. Feuerwehr, die uns mit einer Abordnung des Radfahrervereins Wanderlust mit klingendem Spiel zu Mutters Biergarten begleiteten. Ihnen allen und denjenigen, die uns erst am Mittwoch abholen wollten. wozu auch der liebwerte Männergesangverein gehört, sei herzlichster Dank gesagt. Bei Rede und Gegenrede blieb man noch ein Ständchen beisammen, dann aber begab sich "die ganze Vogel- schar" ins heimatliche "Nest".
Die schone Reise gehört nun der Vergangenheit an. Sie war vom wunderbarsten Sommerwetter begleitet, klappte in allen Teilen tadellos, bot in ihrem Wechsel von herrlichen landschaftlichen Eindrücken mit den Bildern der Großstadt und großartigen Ausstellungen, in der Benützung der verschiedensten Verkehrsmittel die für Reisen stets anzustrebende Abwechs-lung. Unterkunft und Verpflegung waren durchweg ausgezeichnet und preiswert, sodaß unser Voranschlag sogar auf die Mark stimmte und nicht überschritten wurde.
Die Reise wird allen Teilnehmern, besonders aber der Jungmannschaft, unvergeßlich sein. Wir sind nun wieder in das Getriebe des Alltags zurückgekehrt und erwarten uns neue Pflichten, besonders im Dienste unseres Vereins. Möge die Reise allen ein Ansporn gewesen sein, alle Kraft den schönen Zielen unseres Vereins: "Dem Volke gute Musik zu bieten, das gesellige Leben zu pflegen", einzusetzen und einig, fest und treu zusammenzustehen.
(L. Fritz)
1933 - Rheinland und Moseltal
Vorwort
An den Rhein, an den Rhein, zieh nicht an den Rhein,
Mein Sohn, ich rate dir gut.
Da geht dir das Leben zu lieblich ein,
Da blüht dir zu freudig der Mut!
Und zu Schiffe, wie grüßen die Burgen so schön,
Und die Stadt mit dem ewigen Dom,
In den Bergen wie klimmst du zu schwindelden Höhn
Und blickest hinab in den Strom!
Diese „Warnung vor dem Rhein“ von Karl Simrock haben wir wohl beachtet – denn er meint ja das Gegenteil – als wir im schönen Monat Mai beschlossen, eine Rheinlandfahrt zu unternehmen. Um den Urlaub unserer Mitglieder in den verschiedenen Betrieben sicherzustellen, mußte zeitig ein fester Termin gewählt werden: er fiel auf die Zeit vom 29. Juli bis 2. August. Nun freute man sich auf die bevorstehende Rheinfahrt als Entschädigung für zweijährige Mühen im strengen, aber auch schönen Dienste unserer Volksmusik. So kam nun der ersehnte Samstag, der 29. Juli, heran.
Auf dem Marktplatz spielten wir noch ein Abschiedskonzert. Zum Schlusse erklang der ewig schöne und wahre Reisemarsch "Muß i denn zum Städtele hinaus, und du mein Schatz bleibst hier". Selbst der Himmel erbarmte sich des Abschiedsschmerzes der zurückbleibenden Lieben und fing an zu weinen. Von liebenswürdigen Mädchen- und Frauenhänden wurde am Bahnhof die ganze Reiseschar mit Blumen geschmückt und gab uns eine große Menge von Angehörigen, Freunden und Freundinnen das Geleite zu nächtlicher Stunde. Ein letztes Grüßen und Winken - fort waren wir.
Über die uns wohlbekannte Strecke nach Basel ist nichts zu melden. Um halb 12 Uhr nachts kamen wir dort an. Hier wurde uns die erste Überraschung zuteil: Die fürsorgliche Reichsbahn stellte uns statt 3. Klasse einen res. Wagen 2. Klasse zur Fahrt nach Mainz zur Verfügung, sie muß uns als eine bessere Gesellschaft angesehen haben, die man weich zu betten hat. "Wenn's so anfängt, dann kann's gut werden!" Mit diesem Ausspruch fuhren wir los in die Nacht hinaus, der Regen peitschte an die Fenster, während die Räder ruhelos den Takt dazu hämmerten. "Gute Nacht, du mein herziges Kind!"
Der erste Reisetag
Stundenlang geht es im gleichen Rhythmus. Viele dämmerten hinüber in die Welt des Traumes. Doch halt! Es regt sich was im Odenwald! Besonders Scharfhörige vernehmen ein verdächtiges Geräusch: Gluck, gluck, gluck. Schon sind sie hell wach, denn es gilt, Ansprüche an das Leben zu stellen und die "geistigen Güter" zu wahren. Merkwürdig, wie viele plötzlich Leibschmerzen verspürten und Trost und Hilfe bei einem guten Schnaps suchten! Das konnte nicht mit rechten Dingen zugehen, da hatte sicher der Teufel seine Hand im Spiele. Aus allen Abteilen schlängelten sie sich heraus, um mit dem guten "Zwetschgen" ihre Leibesnot und ihr Liebesleid zu besänftigen. Bis das traurige Ende kam - fahr wohl du leere Flasche, dein Amt ist aus! Aber Dank dem edlen Spender!
Es dämmert, wir fahren über die Rheinbrücke Mannheim-Ludwigshafen. Es wird Morgen. Die Sonne kommt, der Regen hat aufgehört. Bei Worms-Osthofen sahen wir ein Konzentrationslager mit Wachtposten davor. Mainz. Aussteigen. Es ist 5.12 Uhr. Wir nehmen noch Abschied von Freund Albin, der nach Köln weiterfährt und später wieder zu uns stößt. Die einstündige Wartezeit benützen wir zu einem warmen Kaffee im Bahnhofrestaurant. Da war schon eine lustige Gesellschaft. Sie sangen wie die Lerchen. Ein bejahrter Herr mit weißem Spitzbart gab den Takt an. "Aha", dachten wir, "jetzt kommt der Auftakt zum rheinischen Leben." Um halb 7 Uhr bestiegen wir den Eilzug, der uns nach Bingen brachte. Damit war das erste Reiseziel erreicht.
Sonntagmorgen am Rhein! Da lag er nun im Glanze der Morgensonne, da drüben das schöne Rüdesheim, vom Niederwald grüßte die Germania des Nationaldenkmals, im Strome stand, wogenumrauscht, der historische Mäuseturm, von drüben grüßte die Ruine Ehrenfels. In würziger Morgenluft schritten wir zu unserem Quartier: dem Hotel Salztor. Dort wurde ein währschaftes Znüni mit gutem Binger Wein eingenommen. Wir stellten uns auch als Rheinknder vor, nämlich von Tiengen am Oberrhein. Auch alemannischer Sprachunterricht wurde erteilt: das Wort "Chriesichratte" war allerdings noch sehr schwierig und kam der Hebe schon mehr spanisch vor. Wir erklärten ihr das Wort als Kirschenkorb, aussprechen konnte sie es nicht. Ja, so ein richtiges Oberländer "ch" will gelernt sein.
Nach allgemeiner Stärkung wurde sodann Bingen besichtigt. Einen herrlichen Blick auf den Strom hatten wir von der hoch über der Stadt gelegenen Burg Klopp. Diese ist römischen Ursprungs, wurde 1689 von den Franzosen zerstört und, kaum neu aufgebaut, 1713 als unzweckmäßig wieder gesprengt; neuerdings restauriert, ist sie seit 1897 Eigentum der Stadt Bingen. Hier wurde eine Gruppenaufnahme gemacht und die ersten Ansichtskarten nach Hause geschickt.
Nach einem fidelen Frühschoppen, in welchem wieder die "Chriesechratte" eine Rolle spielte, wurde im Hotel das vortreffliche Mittagessen eingenommen. Zum Nachtisch brach der Sängerkrieg aus, ein Vaterlands-, Rhein- und SA-Lied stieg nach dem andern, mit Jugendfeuer auf dem Klavier begleitet von unserem Tausendsassa Bernhard. Doch, o weh, ein Gewitterregen prasselte hernieder, als wir die Fahrt zum Niederwald antreten wollten. Ein Schlafbesessener mußte erst noch aus dem Bett herauskomlimentiert werden, dann konnte es losgehen. „Trotz Regen, Sturm und Wogendrang kam unser Schiffchen glücklich an“, nämlich in Aßmannshausen. Schon lachte die Sonne wieder in strahlender Schönheit. In der berühmten „Krone“ kehrten wir ein und tranken in lauschiger ecke den perlenden Wein. Die „Krone“ ist berühmt als Ausruhestätte für viele Dichter und Künstler, besonders Freiligrath. Viele Bilder und Widmungen und Inschriften zieren die Wände. Eine davon ist mir noch in Erinnerung:
Ein Säufer - ist ein Verbrecher
Ein Seliger - ein froher Zecher!
Ob die Musikanten nicht besonders selig werden?
Plötzlich ertönte Marschmusik: Es Zogen zirka 3-4 SA-Stürme mit 2 Musikkapellen vorbei, freudig begrüßt. Nach Eintreffen unseres Autos fuhren wir nun auf die Höhe des Niederwaldes zum Nationaldenkmal.
1966 - Starnberg
Das Programm:
1. Tag - Freitag, den 8.7.1966
5.45 Uhr - Abschiedsständchen auf dem Marktplatz
6.15 Uhr - Abfahrt ab dem Marktplatz mit dem Luxus-Omnibus des Reiseunternehmers Theo Siegers, Tiengen. Fahrtroute: Tiengen, Schaffhausen, Konstanz. Übersetzen mit der Fähre nach Meersburg. Auf dem Schiff kann eine kleine Pause eingelegt werden. Über Friedrichshafen, Lindau steuern wir unseren ersten Halt an.
9.30 Uhr - Ankunft am "Haldenhof" bei Isny
11.30 Uhr - Abfahrt vom Haldenhof. Nach Kempten, Weilheim erreichen wir bei Seeshaupt den Starnberger See, um nach kurzer Fahrt unser Tagesziel zu erreichen.
15.30 Uhr - Ankunft in Starnberg. Für die nächsten Tage ist nun der Gasthof "Tutzinger Hof" unser Domizil.
18.00 Uhr - Nachtessen (es kann nach Karte gegessen werden)
20.00 Uhr - Zum Ausklang des ersten Tages gemütliches Beisammensein.
2. Tag - Samstag, den 9. Juli 1966
7.30 Uhr - Frühstück
8.15 Uhr - Abfahrt mit dem Bus nach dem schönen Garmisch-Partenkirchen
10.00 Uhr - Diejenigen Reiseteilnehmer, die eine Fahrt auf die Zugspitze unternehmen wollen, möchten sich zu einer Gruppe zusammenschließen, damit Fahrpreisermäßigung beantragt werden kann. Wer nicht auf die Zugspitze will oder kann, hat diese Zeit in Garmisch-P. zur freien Verfügung (Eisstadion, Eibsee, Wankbahn usw.)
14.30 Uhr - Rückfahrt nach Starnberg, über Walchensee, Kochelsee, mit kleinem Halt, wo wir es für schön und richtig finden.
18.00 Uhr - Nachtessen. Der Abend steht jedem zur freien Verfügung. Besonderer Hinweis: Jeden Samstag finden auf dem Starnberger See Abendsonderfahrten mit Tanz statt.
3. Tag - Sonntag, den 10. Juli 1966
Frühstück und Morgenspaziergänge nach freier Wahl.
10.30 Uhr - Standkonzert auf der Seepromenade, anschließend gibt es von der Stadt Starnberg einen Frühschoppen mit Weisswürsten.
Ein Programm für den Sonntagnachmittag wollen wir erst an Ort und Stelle festlegen, weil wir uns nach dem Wetter richten wollen.
Für Sonntagabend kann noch kein Programm angegeben werden, weil die Prospekte mit Theater und Konzertanzeige usw. noch nicht da sind. Diese sind aber bis zu Beginn der Reise in unseren Händen.
4. Tag - Montag, den 11. Juli 1966
9.00 Uhr - Abfahrt nach München. Daselbst steht der Vormittag zum Einkaufsbummel frei
14.00 Uhr - Stadtrundfahrt in München (ca. 3 Stunden mit Führung). Treffpunkt zur Stadtrundfahrt am Hauptbahnhof.
Am Abend ist dann nochmals gemütliches Beisammensein in Starnberg, um uns für die Heimfahrt zu rüsten.
5. und Heimreisetag - Dienstag, 12. Juli 1966
6.30 Uhr - Frühstück
7.15 Uhr - Abfahrt von Starnberg.
Die Heimreise erfolgt wieder durch das Allgäu um noch einmal die Schönheit der Berge und Seen zu bewundern. Über die Deutsche Alpenstraße erreichen wir wieder den Bodensee. Auch diese Fahrt kann von uns dort wieder unterbrochen werden, wo wir es dem Wetter entsprechend für gut finden, denn wir müssen erst um:
18.30 Uhr - zum Schlager des Tages in Grießen sein.
19.30 Uhr - Beginn des Weltmeisterschaftsspieles
22.00 Uhr - Ausklang der Musikreise in der "Klettgauer Bierhalle"
Mittwoch, den 13. Juli 1966
10.00 Uhr - Frühschoppen im "Deli"
Zum Schluß wünsche ich allen eine schöne Musikreise, schönes Wetter, viel Humor und Verständnis dafür, daß wir auch mit dem Bus die Abfahrtszeiten einhalten wollen.
(E. St.)
1968 - Stuttgart
Am vergangenen Freitag war es wieder soweit, daß die Musikreise starten konnte. Um 6.30 Uhr trafen sich die Stadtmusiker um sich mit zwei Märschen von den Angehörigen und der Bevölkerung für einige Tage zu verabschieden.
Pünktlich um 7.00 Uhr verließ der Bus die Klettgaustadt. Über Bonndorf, Neustadt kamen wir zum höchsten Punkt unserer Fahrt; Escheck über Furtwangen. Nach einer kleinen Vesperpause ging es weiter über Triberg, durch das Gutachtal um dann in das Kinzigtal hinauf über Furtwangen zu unserem nächsten Halt zu gelangen. Wildbad im Schwarzwald, dort wurde das Mittagessen eingenommen. Dabei konnte jeder Musiker sich selbst ein Bild über die herrlichen Kuranlagen dieser Stadt machen. Zum Abschluß des Aufenthaltes in Wildbad war eine Führung durch das Ebersbad, welche sehr beeindruckte. Zum letzten Abschnitt unserer Fahrt ging es vorbei an Calw, Hirsau usw., um zu unserem Standort in Stuttgart zu gelangen. Die Stadtmusik war in Zuffenhausen untergebracht und zwar im "Hotel Garni Keinath". Mit dieser Pension hatte die Stadtmusik einen guten Griff getan, die Unterbringung war bestens.
Am Samstag war dann Besichtigung des Daimler-Benz Museums mit Filmvorführung, welche bei den Stadtmusikern einen nachhaltigen Eindruck hinterließ. Anschließend fuhr man zum Fernsehturm, der eine herrliche Sicht auf die Stadt und die schwäbische Alb bot. Um 14.00 Uhr startete man zur Stadtrundfahrt, durch einen Fremdenführer bekamen wir einen Einblick in die Geschichte der Landeshauptstadt, sowie deren markante Bauwerke. Am Ende der Rundfahrt landeten wir im Neckarstadion, um als Zuschauer bei der "Polizeischau" dabei zu sein. Dieselbe war für jung und alt ein großes Erlebnis. Man sah Fallschirmspringer, Motorradakrobaten, einen Schäferhund, der einen VW fuhr und dazwischen Leichtathletik usw..
Am Sonntagmorgen wurde bei herrlichem Wetter eine Neckarfahrt mit dem Schiff nach Besigheim durchgeführt. Für diese Fahrt wurden die Instrumente mitgenommen. Es war schon bald auf dem Schiff eine lustige Stimmung; die anderen Gäste des Dampfers waren begeistert über die unverhoffte Bordmusik. Auch das mehrmalige Abschleusen des Schiffes bis zu acht Meter war ein imposantes Erlebnis.
So erreichte man vorbei an den Weinhängen des Neckars die Endstation Besigheim. Nach dem Mittagessen fuhren wir mit unserem Bus nach Ludwigsburg um im Schloß die Gartenschau "Blühendes Barock" mit Märchengarten zu besichtigen. Man sah sehr viel Schönes, daß man immer wieder überrascht war. Am Abend saß man bei Musik und Gesang zusammen und unter dem Wahlspruch "Kenner trinken Württemberger" wurde manches Viertele geschlotzt und nur die Polizeistunde machte dem Abend ein Ende.
Nun kam der Montag. Am Morgen wurde ein kleiner Stadtbummel gemacht. Um 14.00 Uhr trafen sich die Stadtmusiker wieder vor der Wilhelma zum Besuch derselben. In der Wilhelma gab es soviel zu sehen, daß die Zeit wie im Fluge verging.
Am Dienstag war es wieder soweit. Man mußte wieder die Koffer packen; denn jede Reise geht zu Ende, auch die Musikreise 1968. Ein letztes Mal machten wir Halt in der Innenstadt von Stuttgart, um die verschiedenen Mitbringsel zu besorgen.
Pünktlich um 13.00 Uhr verließen wir die Landeshauptstadt zu unserem letzten großen Erlebnis unserer diesjährigen Reise. Um 14.00 Uhr waren wir angemeldet für eine Führung durch das Sindelfinger Werk der Mercedes-Benz AG. Dabei machte das Gesehene einen großen Eindruck auf uns. Das Werk beschäftigt in Sindelfingen ca. 30.000 Personen und gab einen gewaltigen Einblick auf den Stand der heutigen Technik im Automobilbau.
Nachdem in Rottweil der letzte Halt eingelegt wurde, kam die Reiseschar wohlbehalten und gesund in Tiengen an, um in der "Klettgauer Bierhalle" mit den Angehörigen den Reisestaub hinabzuspülen und die ersten Reiseerlebnisse zu erzählen. Dem Fahrer des Busses Herrn Siegers sei an dieser Stelle für seine aufgeschlossene Art der Stadtmusik gegenüber herzlich gedankt.
Die Musikreise 1968 ist somit am Ende und schloß sich würdig den vergangenen Reisen an.
Hochachtungsvoll
Egon Steinegger
Schriftführer u. Reiseleiter