
Anna Pisareva, Sopran, Bettina Schneebeli, Alt, Emanuel Rütsche, Tenor, und Alexey Birkus, Bass, der Projektchor von Jochen Stitz sowie die Stadtmusik Tiengen unter Leitung von Bernhard Winter gastierten in der Kirche St. Martin in Wehr mit dem Requiem des Ungarn Frigyes Hidas
Südkurier (Karin Steinebrunner)
Die beiden langen Schlussakkorde im Orchester verklingen. Totenstille – erst nach einer geradezu fühlbaren Atempause bricht der Applaus los, ein Applaus, der kein Ende nehmen will. Kein Wunder, denn was da in der Martinskirche in Wehr zu Ende gegangen ist, war eine ungeheuer mitreißende Interpretation des Requiems von Frigyes Hidas.
Hidas, lange Jahre Musikdirektor des Nationaltheaters in Budapest, ist ein Komponist, der sich ausdrücklich zur Verwendung der harmonischen Tonalität und zur melodischen Linie bekannte. In den unterschiedlichsten Gattungen beheimatet, schrieb er sein „Requiem“ als moderne symphonische Blasmusik mit großem Chor und Solisten, in deren spätromantischen Duktus er unverkennbar seine Erfahrung mit der Operndramaturgie einfließen ließ.
Das Werk ist von unglaublicher Dramatik erfüllt, das „Dies irae“ (der Tag des Zorns) allein macht die Hälfte der Komposition aus. Nach dem ersten volltönigen „Requiem aeternam“- Einsatz des Chores und der Vorstellung des Solistenquartetts sofort in der zweiten Textzeile, „lux perpetua“, das ewige Licht, bezeichnend, kommt dieser Tag des Zornes gleich einem heftigen Aufschrei im Tutti des Chores und der Bläser über die Anwesenden, um im letzten Abschnitt der Komposition, sozusagen als Doppelpunkt vor dem Schluss, in seiner ganzen Kraft und Härte wie eine Naturgewalt über das Kirchenschiff hereinzubrechen.
Dazwischen in kunstvoller Verflechtung als vollendeter Gegensatz in Form einer lyrisch-solistischen Linie die ausdrucksstarke Bitte um Gnade des a capella singenden Solistenquartettes beim „recordare“, ins Ariose gesteigert durch die Solostelle „qui Mariam absolvisti“ in Alt und Sopran, die an bereits erteilte Vergebung erinnert. Diese Linie gipfelt zunächst in der im Solosopran voller Liebreiz in wiegendem Dreiertakt vorgetragenen Vision der Auferstehung am Jüngsten Tag im „lacrimosa“. Unterstützt durch Glockenspiel und Naturidiom der Hörner schließt der „Dies irae“-Teil der Komposition im vollkommen besänftigten Klang abendlicher Beschaulichkeit.
Diese musikalisch ausgedrückte Hoffnung auf die ewige Ruhe wird weitergetragen in der durch ihre Einmaligkeit und Kürze hervorgehobenen Textstelle des Ewigen Lichtes („lux aeterna“), im Orchester tonmalerisch ausgestaltet und einem ariosen Tenor-Solo zugewiesen, um in der letzten Textzeile des Werkes als Heilsgewissheit zunächst von den vier Solisten einzeln, dann nach einer kurzen ängstlichen Reminiszenz des „libera me“ vom besänftigten Chor, unterstützt vom Solo-Sopran, wieder aufgenommen zu werden. Dazwischen eine ganze Menge teils in der technischen, teils in der affektbezogenen Ausgestaltung an die lange Tradition der Requiemvertonungen anknüpfende Stellen, etwa das triumphale „Osanna“ im Sanctus oder die Chorfuge zur Textstelle „pleni sunt coeli“ im selben Abschnitt sowie das auch hier solistisch besetzte „benedictus“.